Bénédicte Savoy wünscht sich „radikale Transparenz“

Bénédicte Savoy im Evangelischen Zentrum ©Gerd Herzog

"Radikale Transparenz"

"Man wird größer, wenn man schwierige Themen anpackt", eröffnete Bénédicte Savoy ihren inspirierenden Vortrag ("Thropäen des Glaubens") anlässlich des 200. Jubiläums der Berliner Mission. Savoy gilt seit langem als kritische Stimme im Gespräch über die Aufarbeitung der kolonialen Vergangenheit, vor einigen Jahren hatte ihr Expertenbericht zur kolonialen Raubkunst in Frankreich für Aufsehen gesorgt. Jubiläen neigen dazu, Momente der unkritischen Selbstfeier zu sein, „umso bemerkenswerter finde ich es, zu diesem Anlass sprechen zu dürfen“. Den Abend eröffnet hatte Direktor Dr. Christof Theilemann mit einer kurzen Andacht.

Hundert Gäste waren der Einladung ins Evangelische Zentrum gefolgt, um Savoys Ausführungen zu lauschen und den Gründungstag der Berliner Mission zu begehen. Am 29. Februar 1824, auf den Tag genau vor 200 Jahren, kamen einige wenige Männer in einer Wohnung am Berliner Holzmarkt zusammen, um die Berliner Mission ins Leben zu rufen. Sie folgten dem Zeitgeist, der auf ein weltweites Verbreiten des Evangeliums drängte. Und das lange bevor das Deutsche Kaiserreich selbst Kolonialmacht wurde und der Siegeszug des Imperialismus im späten 19. Jahrhundert die Missionare vor gänzlich neue Herausforderungen stellte.

Bénédicte Savoy hat sich über Jahre als eine maßgebliche Stimme in den Debatten um die Aufarbeitung der kolonialen Vergangenheit, die Rückführung kulturellen Erbes Afrikas und die Restitution etabliert. Ein bedrückender Fakt sei, so Savoy, dass der überwiegende Teil der Kulturschätze der 56 afrikanischen Staaten in europäischen Museen beherbergt werde, „und dabei spielten auch Missionare eine Rolle“. Durch ihre Nähe zu den Menschen erwiesen sie sich oft als die aufmerksameren Ethnografen, Historiker und Wissenschaftler. "Sie brachten, gemäß ihrem Selbstverständnis, das Licht und das Kreuz nach Afrika und nahmen Objekte mit", erläuterte Savoy. Die Objekte, die von den Missionaren in ihre Heimatländer gesandt wurden, sollten ursprünglich den Erfolg ihrer Arbeit unter Beweis stellen. Während die Motivation anfangs vorrangig religiös-theologisch war, dienten die Objekte später auch der Spendensammlung. Schließlich wurden sie verkauft, als auf dem Kunstmarkt hohe Preise für "exotische" Objekte erzielt wurden. Savoy zeichnete nach, wie sich die Motive verbanden und in welchem Umfang sakrale Gegenstände und Herrschaftsinsignien nach Europa gelangten: "Man hat den Menschen ihre kulturellen Grundlagen entzogen."

Savoy gelang es, das Publikum in ihren Bann zu ziehen, was auch in der Diskussion ihres Vortrags deutlich wurde, zu der Dr. Theilemann die Gäste einlud. Auf die Frage, was sie sich von den heutigen Missionswerken wünsche, antwortete Savoy:  "Radikale Transparenz", Transkriptionen von Handschriften und digitale Foto-Archive, kurz: „Erreichbarkeit sicherstellen“. Denn die kostbaren Archive der Missionswerke seien eine wichtige Ergänzung zu den politischen Archiven, betonte sie und forderte, diese für Menschen in den ehemaligen Kolonien zugänglich zu machen. Auch dem Hinweis, dass Christen in afrikanischen Partnerkirchen, den ehemaligen Missionskirchen, den Kampf gegen den Glauben an Magie und Hexerei unterstützen, wich sie nicht aus. "Das ist das Gespräch der Menschen vor Ort; dafür fehlt häufig der Raum. Die Kirche könnte solche Räume schaffen!" Es gebe viele verschiedene Meinungen, sowohl hier im Raum als auch in den afrikanischen Staaten: "Es gibt viel zu diskutieren!"