Eine kleine Kirche lebt vom Ehrenamt
Seit Januar 2025 erlebt die Berliner Vikarin Louisa Braeuer, ehemaige Freiwillige des Berliner Missionswerkes, in Lyon, wie eine protestantische Minderheitenkirche mit flachen Strukturen, offener Liturgie und großer Gastfreundschaft neue Kräfte freisetzt. Ein Erfahrungsbericht aus Frankreich.
Louisa Braeuer absolviert ihr Auslandsvikariat in der Region Centre Alpes Rhônes der Église Protestante Unie de France, seit März 2025 Partnerkirche des Berliner Missionswerkes. Die eine Hälfte ihrer Arbeitszeit verbringt sie in der Innenstadtgemeinde Temple de Terreaux, die andere im stadtweiten Projekt „Mission JEEPP“ (Jeunes Étudiant-e-s et Professionnel-le-s Protestant-e-s), das sich gezielt an junge Erwachsene richtet.
Schon bei ihrer Ankunft fielen Braeuer weniger die Unterschiede als die Parallelen zur deutschen Kirche auf: Gottesdienste, Gebete und theologische Denkweisen wirkten erstaunlich vertraut und erleichterten das Einfinden trotz sprachlicher Hürden. Gleichzeitig zeigte sich schnell, wie sehr eine kleine Kirche vom Ehrenamt lebt: Nur rund zwei Prozent der Bevölkerung Frankreichs bezeichnen sich als protestantisch, Gemeinden zählen oft wenige Hundert Mitglieder. Flache Hierarchien und eigenverantwortliche Strukturen geben dem kirchlichen Leben spürbare Dynamik. Der Gottesdienst im Temple de Terreaux ist mit 60 bis 80 Gläubigen jeden Sonntag jedenfalls deutlich besser besucht als so mancher Gottesdienst in meiner Heimatstadt Berlin. Und auch jenseits der Gottesdienste gibt es ein lebendiges Gemeindeleben mit theologischen Diskussionsrunden, Angeboten für Kinder und Engagement für Geflüchtete. Unter der Begleitung des Pfarrers der Gemeinde Christian Bouzy konnte Braeuer in den letzten Monaten viele Veranstaltungen miterleben und unterstützen.
Ein anderes Beispiel für das große Engagement dafür ist die Mission JEEPP. An zwei Abenden pro Woche laden Dina Radafiarijaona und Emmanuelle Martin junge Erwachsene zu gemeinsamem Essen, Austausch und kurzen Impulsen ein. Im Mittelpunkt steht ein offenes, seelsorgerlich geprägtes Gesprächsklima, das Beziehungen statt schneller Integration betont. Manche Teilnehmende finden so einen Weg in die Gemeinde, andere erleben schlicht einen sicheren Raum für Fragen und Zweifel. Beides gilt als Erfolg.
Aus Lyon nimmt Louisa Braeuer vor allem zwei Lehren mit: Gastfreundschaft und echtes Zuhören schaffen Kirche, selbst bei begrenzten Ressourcen, und das Pfarramt funktioniert überzeugend als eine von vielen tragenden Säulen. Im September kehrt sie in die EKBO zurück und tritt ihren Entsendungsdienst im Kirchenkreis Zossen Fläming an. Doch ein Teil ihres Herzens wird wohl in Lyon bleiben.