Warten auf ein Wunder

Franz Rigert (Foto: UCC)

Gedanken zur Massenschießerei in Texas

„Die Nachricht von der schrecklichen Massenschießerei in Texas ist herzzerreißend. Was wird nötig sein, damit diese Nation vernünftige und verantwortungsvolle Waffengesetze erlässt?“ Franz Rigert, Conference Minister (Regionalbischof) der amerikanischen Partnerkirche United Church of Christ (UCC) in Wisconsin, hat einen ergreifenden Text von Conference Minister Phil Hodson, UCC South Central, geteilt. „Unsere Gebete des Mitgefühls, der Stärke und der Solidarität sind wichtig“, so Rigert, „aber ebenso wichtig ist es, dass wir auf unsere Gesetzgeber einwirken und handeln“. 

Warten auf ein Wunder Gedanken eines Conference Ministers, 24. Mai 2022
Von Phil Hodson

Ich habe vier Söhne. Der älteste macht diese Woche seinen Abschluss in der 4. Klasse, der nächste geht gerade in die 2. Klasse. Disney-Filme haben in unserer Familie Tradition, wir sehen sie uns regelmäßig gemeinsam an. In letzter Zeit haben sie sich für den Film "Encanto" begeistert, und es gibt ein Lied aus dem Film namens "Waiting on a Miracle", das mir heute Abend im Kopf herumging. Ich habe über dieses Lied nachgedacht, während ich darüber nachdenke, was heute in Uvalde passiert ist. Während ich diese Zeilen schreibe, wird berichtet, dass 19 Kinder und zwei Lehrerinnen durch die Hand eines 18-jährigen Einzeltäters in ihren Klassenzimmern an einer Grundschule ihr Leben verloren haben. In den kommenden Tagen, wenn Sie diese Zeilen lesen, werden sich diese Zahlen vielleicht ändern.

Und ich höre den Schrei des Psalmisten: "Wie lange noch, oh Herr?" Wie lange werden wir eine solch schreckliche Tragödie noch ertragen müssen? Wir senden Gedanken und Gebete, und als jemand, der an die Macht des Gebets glaubt, weiß ich, wie wichtig es in gewöhnlichen Dingen ist. Aber dies ist eine außergewöhnliche Sache. Eine Tragödie, die sich nur eine Woche nach einer weiteren Schießerei in Buffalo, New York, ereignet. Eine Tragödie, die nur noch von der Schulschießerei an der Sandy Hook Elementary in New Town, CT - vor fast genau zehn Jahren - übertroffen wird, was die schiere Zahl der verlorenen Menschenleben angeht. Ich erinnere mich, dass ich nur wenige Tage nach dieser Schießerei eingeladen wurde, in der örtlichen Grundschule, in der ich in Oklahoma einer Gemeinde diente, eine Zeit des Gebets und des Gesprächs zu leiten. Und ich erinnere mich, dass ich eine schöne Zeile zitierte, die jemand anderes geschrieben hatte, um meine Worte einzuleiten: "Die Straßen des Himmels sind heute zu voll mit Engeln ..." Und hier sind wir wieder.

Heute Morgen war ich in der Grundschule meiner eigenen Söhne und sah zu, wie mein Ältester im Rahmen der Preisverleihung für die vierte Klasse eine Rede über Führung hielt. Gestern war ich dort, um zu hören, wie mein Achtjähriger ein originelles Gedicht vortrug, das er für seine eigene Preisverleihung in der zweiten Klasse geschrieben hatte. Beide Male ging ich einfach durch die Tür, unterschrieb ein Formular, bekam ein Namensschild und ging dorthin, wo ich sein sollte. Und ich saß in einem Saal voller Menschen, die ich nicht kannte - andere Eltern und Verwandte - ohne einen zweiten Blick zu riskieren. Das ist eines der Geschenke, wenn man in einer freien Gesellschaft lebt - die Möglichkeit, ohne Angst dorthin zu gehen, wo man möchte.

Aber heute Abend, während ich diese Zeilen schreibe, habe ich Angst. Die Angst, die ich heute Nachmittag erlebte, als ich draußen stand und darauf wartete, dass der Bus meiner Söhne am Ende der Einfahrt ankam, damit ich persönlich erleben konnte, wie sie zu mir zurückkamen. Denn meine Jungs sind im gleichen Alter wie die 19 Kinder, die heute Abend nicht zu ihren Familien zurückgekehrt sind. Und zu Gott zu schreien ist nicht die Antwort. Denn wir denken nur, dass wir darauf warten, dass Gott etwas tut.

In Wirklichkeit wartet Gott auf uns, damit wir etwas tun.

Die Rede meines Sohnes zum Thema Führung drehte sich um drei Eigenschaften, die seiner Meinung nach eine gute Führungskraft ausmachen: Verantwortung, Rechenschaftspflicht und Kommunikation. Mir scheint, dass wir, die Kirche, in solchen Situationen eine Rolle zu spielen haben. Wenn das Chaos ausbricht und es keine klaren Antworten gibt und Menschenleben grundlos verloren gehen. Wir sind dazu berufen, den Menschen zu helfen, zu trauern. Wir sollen in der Trauer helfen. Die Leidenden zu begleiten und die Liebe, das Mitgefühl und die Gnade anzubieten, die bezeugen können, dass eines Tages wieder Freude in ihr Leben kommen wird. Wir sind die Zeugen für die Auferstehung, dafür, dass das Schlimmste nie das Letzte ist. Als Nachfolger Jesu sind wir dafür verantwortlich, diese Botschaft weiterzugeben, und wir sind dem Göttlichen gegenüber dafür rechenschaftspflichtig, dass wir dies tun.

Heute Abend, während ich diese Worte schreibe und meinen Kindern beim Schlafen zuhöre, wünsche ich mir, dass unsere Politiker eine Führungsrolle übernehmen würden. In Texas. Auf nationaler Ebene. Wir brauchen ihre Gedanken und Gebete nicht - wir, die Kirche, werden uns in ihrem Namen darum kümmern. Wir brauchen sie, um zu führen. Wir müssen sie für eine vernünftige Gesetzgebung verantwortlich machen, die unsere Kinder schützt. Wir müssen sie zur Rechenschaft ziehen, damit sie es schaffen - dafür sind Wahlen da. Und wir müssen diese Botschaft mit Klarheit und Entschlossenheit vermitteln.

Denn manchmal, wenn wir auf ein Wunder warten, vergessen wir, dass das Wunder wir sind. Lassen Sie uns etwas tun.

Herzlichen Dank an Pfr. i.R. Albrecht Naumann für Vermittlung und Übersetzung!

Im Original nachzulesen unter sccucc.org/article/waiting-on-a-miracle/