"Gerade jetzt braucht es Menschenrechte"
Der 7. Oktober 2023 ist in Israel ein einziger langer Tag, der nicht vorübergeht, „das Leiden nimmt nicht ab“. So beginnt Anton Goodman seinen Vortrag im Berliner Missionswerk. Erst vor ein paar Tagen seien Shiri Bibas und ihre beiden kleinen Kinder beerdigt worden, die als Geiseln der Hamas in Gaza starben. Dort hat der Krieg 100.000 Menschen zu Flüchtlingen gemacht. „Gerade jetzt, wo sie nicht mehr selbstverständlich sind, braucht es Menschenrechte“, betont Goodman. Nahostreferent Dr. Simon Kuntze hat ihn für diesen Abend ins Missionswerk eingeladen und übersetzt den Vortrag.
Anton Goodman ist zuständig für die Partnerschaften der „Rabbis for Human Rights“, einer israelischen NGO. Die Organisation existiert seit 30 Jahren und umfasst derzeit 170 Rabbiner:innen sowie viele Freiwillige. Die NGO setzt sich durch Advocacy-Arbeit für die Verbindung von jüdischen Werten und Menschenrechten ein und engagiert sich konkret vor Ort – vor allem in der Westbank. Seit dem 7. Oktober 2023 - und besonders nach dem Waffenstillstand in Gaza - hat dort die Gewalt von Siedlern zugenommen, viele Menschen haben ihre Arbeit und ihre Perspektiven verloren. „Es ist wichtig, den Menschen zu zeigen, dass es Hoffnung gibt“, sagt Goodman. „Je weniger Hoffnung es gibt, desto weniger Sicherheit kann es für alle geben.“
Ein besonderer Fokus der Aktionen liegt in der C-Zone der Westbank, die unter israelischer Zivil- und Sicherheitskontrolle steht. In diesen dünn besiedelten Gebieten sind Palästinenserinnen und Palästinenser von Vertreibungen bedroht. Hier bieten die „Rabbis for Human Rights“ beispielsweise „Protective Presence“ an: „Wir sind da, um Gewalt zu verhindern.“ Andere gemeinsame Aktionen in der Westbank betreffen die Olivenhaine, die Ernte und neue Pflanzungen. Bauern werden begleitet, damit sie ihr Land sicher erreichen und ernten können – ohne von Siedlern daran gehindert zu werden.
Ebenso wichtig ist es, neue Olivenbäume zu pflanzen. Denn immer wieder werden die Bäume palästinensischer Familien gezielt zerstört, um ihnen die wirtschaftliche Grundlage zu nehmen. „Gerade als orthodoxer Jude ist es sehr schmerzhaft, das zu sehen. Denn laut der Tora sind fruchttragende Bäume streng geschützt.“ Die „Rabbis for Human Rights“ starten Pflanzaktionen mit Freiwilligen in der Westbank, um gefällte Olivenbäume zu ersetzen. „Diese gemeinsamen Aktionen sind mir besonders wertvoll“, sagt Goodman, „für ein paar Stunden wird der Stein auf unseren Herzen weggenommen.“ Manche Kinder in der Westbank sehen bei diesen Aktionen zum allerersten Mal in ihrem Leben, wie Israelis und Palästinenser zusammenarbeiten. Eine ungemein wichtige Erfahrung, so Anton Goodman. Einige der Freiwilligen, die sich an diesen Pflanzaktionen beteiligen, haben am 7. Oktober nahe Angehörige verloren – so auch Goodmans Freund Yotam: „Für mich ist er deshalb ein moralischer Leuchtturm.“
An diesem Abend werde er keine Lösung des Konflikts präsentieren können, hatte Anton Goodman gleich zu Beginn seines Vortrags gesagt: „Aber ich werde Ihnen den Weg zeigen, den ich gehe, um irgendwann zu einer Lösung und zum Frieden zu kommen.“