„Es war mir ein Anliegen, jetzt hierher zu reisen“
Fünf Tage lang besuchte Bischof Dr. Christian Stäblein Anfang September gemeinsam mit der neuen Berliner Generalsuperintendentin Dr. Julia Helmke und Direktor Dr. Ulrich Schöntube das Heilige Land. „Es war mir ein Anliegen, jetzt hierher zu reisen“, sagt Bischof Dr. Stäblein. „Durch unsere Gespräche mit Israelis und Palästinensern habe ich die Not, die die Menschen hier tagtäglich ertragen müssen, mit einer neuen Intensität und Schwere gespürt. Nur wenige Kilometer von Gaza entfernt, wo bis heute Geiseln festgehalten werden, wo ein Volk in Geiselhaft genommen wird und Tausende Tote beklagt werden, habe ich den tiefen Schmerz und die Last gespürt, die über allem und allen liegt. Wir stehen als Christen an der Seite derer, die unter all diesen Schrecken leiden und beten für Frieden und Versöhnung.“
"Talitha Kumi ist eine große Chance"
Ein zentraler Programmpunkt war der Besuch des Schulzentrums Talitha Kumi in Beit Jala in der Westbank. „Mich beeindruckt, mit welcher Zuversicht die Menschen hier täglich zur Schule kommen, Schüler wie Lehrer“, sagte Bischof Dr. Stäblein, Vorsitzender des Missionsrats des Berliner Missionswerkes. Das Berliner Missionswerk ist Träger der Schule.„In einer Situation, die sich immer weiter zuspitzt, ist Talitha Kumi ein Ort des Friedens und der Begegnung, in der Kinder in einer geschützten Atmosphäre lernen können, damit Versöhnung wachsen kann.“ Nach einer Führung durch das Schulzentrum, einschließlich des Kindergartens, des Community Colleges und der neuen Anlagen für nachhaltige Landwirtschaft, mit Schuldirektor Birger Reese und der stellvertretenden Schulleiterin Laura Bishara traf Bischof Stäblein Schülerinnen und Schüler sowie Lehrkräfte zum Gespräch über die aktuelle Situation. Seit dem Terror-Anschlag der Hamas am 7. Oktober und dem folgenden Krieg in Gazah hat sich auch ihr Leben massiv verändert.
„Talitha Kumi ist für uns eine große Chance“, so eine der Schülerinnen. Neben dem Unterricht gibt es besondere Aktivitäten wie Model-United-Nations-Debatten, aber auch vielfältige Sport- und Freizeitangebote. „Talitha Kumi ist eine Familie“, sagte eine Lehrerin. „Wir wollen unsere Hoffnung auf die ganze Gesellschaft übertragen“, ergänzte eine weitere Lehrkraft. Einer ihrer deutschen Kollegen, der am Gespräch teilnahm, sagte, dass ihn die Kraft der Kolleginnen und Kollegen, den schwierigen Alltag zu meistern, sehr beeindruckt habe: „Wir haben weniger Probleme und sind nur auf Zeit hier. Ich lerne jeden Tag, wie schwer die Probleme der anderen sind.“
Partnerkirche: “Starkes Zeichen des Glaubens”
Von großer Bedeutung war auch die Begegnung mit Bischof Dr. Ibrahim Azar, Pfarrerinnen, Pfarrern und Mitgliedern der Kirchenleitung der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Jordanien und im Heiligen Land (ELCJHL). „Ich höre in den Gesprächen von den täglichen Herausforderungen, der alltäglichen Marginalisierung und Gewalt, der Angst und der tiefen Sorge vor der Zukunft“, fasste Bischof Stäblein seine Eindrücke zusammen. „Ich bin dankbar, dass wir hier zu Gast sein dürfen. Es ist wichtig, dass ihr von dem Druck erzählt, der auf euch liegt. Wir wissen, dass wir im Gebet mit euch verbunden sind und eure Worte und unsere gemeinsame Hoffnung auf Frieden und Versöhnung weitertragen müssen.“ Auch Dr. Ulrich Schöntube würdigte die Arbeit der Partnerkirche in dieser angespannten Zeit: „Mich beeindruckt, mit welcher Beharrlichkeit und Hingabe die ELCJHL ihren Auftrag wahrnimmt. In einer Situation, in der so viele verstummen, ist es ein starkes Zeichen des Glaubens, dass hier Kirche durch Bildung und Diakonie einen wichtigen Dienst an der Gesellschaft leistet“.
Yad Vashem: “Erinnerung und Mahnung zugleich”
Ein besonderes Anliegen war der Besuch der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem. In der Halle der Erinnerung legten Bischof Dr. Stäblein und Direktor Dr. Schöntube Blumen nieder. „Der Besuch dieser Gedenkstätte ist für mich Erinnerung und Mahnung zugleich", so Bischof Stäblein, "bis heute bin ich schockiert von den unvorstellbaren Ausmaßen nationalsozialistischer Verbrechen und der Vernichtung jüdischen Lebens. Es bleibt unsere Verantwortung als Christen – gemeinsam mit den Vertretern anderer Religionen – daran mitzuwirken, dass sich diese Schrecken nie wiederholen.“
Frieden für die Region
In Jerusalem traf die Delegation die stellvertretende Leiterin des Verbindungsbüros der Bundesrepublik in Ramallah, Dr. Ulrike Borrmann. Das Gespräch drehte sich um die Verschärfung der politischen Situation der Regierung Israels und der Palästinensischen Autonomiebehörde, die auch das Zusammenleben der dort angesiedelten Religionsgemeinschaften beeinträchtigt. Darüber hinaus führte die Reise zu Gesprächen mit Vertreterinnen und Vertretern der israelischen und palästinensischen Zivilgesellschaft sowie zur Teilnahme an einer Demonstration in Jerusalem, die die Freilassung der noch in Gaza verbliebenen Geiseln und ein Ende des Krieges forderte. „Seit dem 7. Oktober 2023 hat sich die Situation von Israelis und Palästinensern verschärft“, so Bischof Dr. Stäblein. „Hier mit Menschen ins Gespräch zu kommen und zu hören, was sie sich für ihr Land und ihre Zukunft wünschen, macht mich aber hoffnungsvoll. Wir beten mit ihnen für die Freilassung der Geiseln, das Ende von Hunger und Krieg und Frieden in dieser Region. ‘Für alle jetzt’ ist der Ruf dieser Stunden und Tage.“