Pfarrerehepaar Titus in der Kalaharimission

Lieber Petrus Titus, liebe Riana, als euer Bischof euch vor anderthalb Jahren gefragt hat, ob ihr bereit wäret in die Kalahari zu ziehen, um dort in der Mission tätig zu werden, so erzähltet ihr mir, habt ihr sofort zugestimmt. Warum wart ihr eigentlich sofort bereit, euer schönes Pfarrhaus in der Hauptstadt aufzugeben, obwohl ihr doch dort zum ersten Mal in eurem Leben fließend Wasser und vor allem Strom hattet? Warum habt ihr euch so bereitwillig in die Wüste schicken lassen?

 

Petrus Titus: Ich war ja schon einmal in der Kalahari tätig. Das war 2006. Allerdings nur für sieben Monate. Mir war klar, dass diese Zeit viel zu kurz war. Die Leute waren lange ohne Pastor gewesen, seitdem Anneliese Lüling, die Berliner Missionarin, vor 19 Jahren die Gegend verlassen hatte. Als ich damals kam, hatten sie sich so gefreut. Und entsprechend groß war die Enttäuschung, als ich nach sieben Monaten schon wieder gehen musste, weil niemand mein Gehalt aufbringen konnte. Die Leute brauchen mich dort im Missionsgebiet. Und da ihr Berliner jetzt das Gehalt bezahlt, ist es möglich, dass ich da weitermachen kann.

 

Riana Titus: Ich war damals auch mit dabei. Und es war so schön zu erleben, wie die Leute sich freuten, endlich mal wieder einen Pastor zu haben. Und außerdem: Ich bin da geboren, ich bin da aufgewachsen, ich kenne die Leute und das Leben dort. Für mich war es damals ein Nachhausekommen.

 

Reinhard Kees: Es gibt ja viele „Pastoren“ in der Botswana-Diözese der ELCSA, warum nennt deine Kirche dich „Missionar“?

 

Petrus Titus: Ich denke, weil ich an das anknüpfe, was die damalige Missionarin Anneliese Lüling angefangen hat. Da leben vor allem Menschen, die noch nicht Christen sind. Wir haben als Diözese erkannt: Wir können nicht warten, dass andere es machen – vielleicht ihr vom Missionswerk – wir müssen es selber machen. Es ist unsere Aufgabe, die Menschen in unserem Land mit dem Wort Gottes zu erreichen – auch die in den dünn besiedelten Gebieten im Herzen der Kalahari. Wir müssen da erst mal den Grundstein legen für Gemeinden, die sich dann später selbst tragen können. Damit sind wir beschäftigt: Wir wollen den Leuten die Frohe Botschaft verkünden, wo immer sie leben. Und ich als Kind der Kalahari, ich passe da gut hin. Ich wollte sowieso nicht gern in der Großstadt leben. Ich mag die Stille, die Ruhe, den Sternenhimmel der Wüste. Und wenn man da arbeitet, dann kennt man die Leute, und sie kennen einen, auch wenn sie nicht zur Kirche gehören.

 

Reinhard Kees: Die meisten, die da im Zentrum der Kalahari wohnen, sind, wie ihr erzählt habt, traditionell gläubig. Was heißt das? Was für Traditionen haben sie und was können sie durch deine Arbeit gewinnen?  Was könnt ihr ihnen anbieten?

 

Petrus Titus: Zurzeit arbeite ich vor allem mit Jugendlichen. Ich möchte ihre Gesinnung ändern. Viele von denen sind schlecht ausgebildet, manche haben Alkoholprobleme, andere rauchen Dagga – so ein Rauschmittel, das abhängig macht. Es gibt viele Schwangerschaften von minderjährigen Mädchen. Ihnen kann ich mit der Botschaft vielleicht Perspektiven eröffnen. Die Älteren erreiche ich schwerer. Sie glauben noch mehr an ihre Heiler, die Zauberer, an Magie und so was. Aber da ist einer darüber, einer der stärker ist als das alles: unser Gott. Und Gott kann das Leben von Menschen ändern, wenn man wirklich an ihn glaubt.

 

Reinhard Kees: Meinst du eine Änderung im Benehmen? Oder was ist die Änderung?

 

Petrus Titus: Nachts gehen sie zu den traditionellen Heilern: Wenn da zum Beispiel ein Todesfall in der Familie ist, oder Krankheit, oder wenn ein Paar echte Schwierigkeiten in der Ehe hat, dann suchen sie dort nach Antworten. Verstehst du, die Leute akzeptieren nicht, dass es eben Enttäuschungen und Scheitern und Leiden im Leben geben kann. Sie suchen nach Gründen.

 

Riana Titus: Die Leute machen immer jemand anderen verantwortlich für ihr Unglück. Wenn deine Tochter stirbt, hat dich jemand verhext. Wenn du leiden musst, hat dich jemand verhext. Wenn du arm bist, dann hat dich jemand verhext. Auch wenn du durchs Examen fällst. Und mit diesen Antworten verdienen die traditionellen Zauberer eine Menge Geld. Und viele sind arm, weil sie so viel Geld zu denen bringen.

 

Petrus Titus: Und wenn da hinein das Evangelium verkündet wird, dann entsteht ein Raum im Leben, Raum für Freiheit, Raum für negative Erfahrungen und Raum für positive Erfahrungen.

 

Riana Titus: Und die Leute lassen die Zauberei und kommen und sagen: Das ist wirklich eine enorme Veränderung im Leben. Wir fühlen uns frei.

 

Reinhard Kees: Petrus, was sind so die täglichen Aufgaben als Missionar in der Kalahari?

 

Petrus Titus: Morgens nach dem Aufstehen gehe ich in mein Büro, lese das Bibelwort für den Tag und bete. Ohne das könnte ich nicht arbeiten. Ich möchte mich vergewissern, dass Gott mit dabei ist, was auch immer ich zu tun habe an eben diesem Tag. Wir haben zwei Krankenschwestern in Lokwabe, die die kommunale Gesundheitsstation leiten. Die beten auch früh morgens. Manchmal beten wir gemeinsam. Das bringt uns zusammen. Wir arbeiten eng zusammen. Ich mache viele Hausbesuche. Sie sagen mir, wer krank ist, wer seelsorgerliche Begleitung braucht, egal, ob die Leute zur Gemeinde gehören oder nicht. Die Menschen freuen sich, wenn ich komme. Ich bin auch viel unterwegs. Eine Woche in der einen Gemeinde, eine Woche in der anderen. Die sind ja zum Teil mehr als zweihundert Kilometer von unserem Pfarrhaus entfernt – da kann man nicht mal eben so schnell hin und her fahren, wie ihr in Berlin – neun Gemeinden auf einem Gebiet von gut 400 km im Durchmesser. Wir haben in einigen Gemeinden Sonntagsschulen angefangen, an denen zurzeit mehr als 60 Kinder teilnehmen. Und die Konfirmandengruppen sind stark gewachsen, ich habe im letzten Jahr insgesamt über 100 Jugendliche konfirmiert und allein in Lokwabe 12 Kinder getauft, und Ältestenräte organisiert und so weiter. 

 

Reinhard Kees: Was ist deine Rolle dabei, Riana?

 

Riana Titus: Ich fahre mit, wenn er unterwegs ist. Die Kinder auch. Eine Woche hier, eine Woche da. Ich helfe ihm oft in den Gottesdiensten mit dem Übersetzen – wir haben ja hier so viele verschiedene Sprachen – oder ich mache die Lesungen. Aber die Sprache der San, der Buschleute, kann ich auch nicht. In Inalegolo sind hauptsächlich Buschleute und Leute, die Gogoza und Puduhugu sprechen. In Lokwabe, wo wir wohnen, sind hauptsächlich Swana, aber auch Nama Sprechende und andere. Keiner kann hier alle Sprachen. Und wir sprechen ja von Hause aus Afrikaans – und Englisch natürlich.

 

Reinhard Kees: Ja Gott sei Dank, sonst könnten wir uns ja gar nicht unterhalten.

Riana Titus: Ich rede mit den Leuten, so gut ich kann. Mein Mann  macht das mehr von der geistlichen Seite, ich eher von der gesundheitlichen. Ich habe ja eine Ausbildung als Fürsorgerin. Ich kümmere mich da eher um die physischen Nöte der Leute. Wir haben zum Beispiel jede Menge Aids-Waisen in unserer Gegend. Die Regierung macht wirklich viel für die Leute, bei denen Aids ausgebrochen ist. Die bekommen antiretrovirale Medikamente – ganz ohne Bezahlung. Aber wenn sie dann gestorben sind, dann kümmert sich keiner um die Waisenkinder. Das ist doch widersinnig. Viele würden gerne helfen, haben aber selbst nicht genug für ihre Kinder. Da ist viel Arbeit. Oft koche ich für viele Kinder – aber immer kann ich das aus unserem Gehalt auch nicht. Ich würde gern ein richtiges Beratungs- und Hilfsnetzwerk aufbauen, aber dazu fehlen die Mittel. Die Diözese würde das gut finden und hat mich damit schon beauftragt, hat aber kein Geld, mich zu bezahlen.

 

Reinhard Kees: Nun eine Frage an dich, Christal Human, als Superintendentin des Kirchenkreises:  Alle anderen Pastoren eures Kirchenkreises müssen ein bestimmtes Soll an Abgaben an den Kirchenkreis und die Diözese abführen, wovon sie dann ihr Gehalt bekommen. Das ist euer Target-System. Manchmal schaffen sie nur weniger als 100% und dann bekommen sie eben auch weniger Gehalt. Sind die Kollegen da nicht neidisch, dass Petrus Titus regelmäßig sein volles Gehalt bekommt, weil der Förderkreis Kalaharimission aus dem Wedding und wir vom BMW das finanzieren?

 

Christal Human: Naja, das ist wohl kein Neid, aber sie würden auch gern immer das volle Gehalt bekommen. Andererseits: Als ich nach Botswana kam, 2007, war die Stelle im Missionsgebiet vakant. Keiner von den Kollegen wollte da hin. Hätten sie ja machen können.  Eigentlich sind sie ganz froh, dass Bruder Titus das macht. Und nach unserer Grundordnung unterliegt die Bezahlung der Pfarrer in den Missionsgebieten nicht dem Target-System. Wie sollen denn die kleinen, gerade erst im Entstehen begriffenen Gemeinden auch das Gehalt eines Pfarrers aufbringen?  Und noch dazu in solch einer armen Gegend, wo die Leute oft selbst nicht genug zu Essen haben.

 

Reinhard Kees: Wie unterstützt denn die Diözese das Missionsprojekt?

 

Christal Human: Die Kirche unterstützt das Projekt, aber es könnte mehr gemacht werden. Allein wenn man die Arbeitsbelastung sieht. Da könnte durchaus ab und zu jemand von der Diözese in Gaborone nach Takatakwana kommen und helfen und den Leuten da wenigstens einmal im Monat das heilige Abendmahl reichen. Das würde Petrus Titus schon enorm entlasten.

 

Petrus Titus: Außerdem bin ich noch in verschiedenen Gremien der Kirche: im Gesamt-Kirchenrat der ELCSA, im Diözesenrat der Botswana-Diözese. Ich bin Stellvertreter der Superintendentin. Dann haben wir natürlich unsere Kirchenkreisversammlungen, den Kreiskirchenrat, die Kreissynode, den Pfarrkonvent. Und da muss ich schon anwesend sein. Das wird erwartet. Bei den Entfernungen allein in meinem Bereich von A nach B rund 400 km und bei den schlechten Straßen ist das schon eine enorme Herausforderung.

 

Reinhard Kees: Ja, das haben wir erlebt. Du musst nicht nur ein guter Pfarrer sein, sondern auch ein guter Fahrer und vor allem ein guter Techniker. Aber lass mich mal abschließend fragen, was ist denn die schönste Seite deines Dienstes und was die schwierigste?

 

Petrus Titus: Das Schönste ist, wenn ich alte Leute gewinnen kann und wenn die dann dafür sorgen, dass auch ihre Kinder und Enkel zum Glauben kommen und sich taufen lassen. Da entsteht so was wie eine christliche Familien-Tradition. So wächst die Kirche.Und die größte Enttäuschung war das Pfarrhaus in Lokwabe. Als ich da hinkam mit meiner Familie, waren die Scheiben kaputt, das Dach war undicht. Oft mussten wir bei Regen die Kinderbetten hin und herschieben und die anderen Möbel, damit sie nicht nass wurden.

 

Riana Titus: Wir hatten auch Skorpione und Schlangen im Haus. Das war gar nicht schön. Vor allem wegen der kleinen Kinder.

 

Petrus Titus: Die Leute meinen, ich als Pfarrer soll alles für die Gemeindeglieder machen, aber wenn ich was für mich mache, verstehen sie das nicht so richtig.

 

Reinhard Kees: Wir wollen trotzdem damit weitermachen, auch Geld zu schicken, damit euer Haus besser wird, nicht nur mit einem dichten Dach, sondern auch mit Strom und Telefon. Und was ist dein Traum?

 

Petrus Titus: Ich wünschte mir, wir hätten für das Missionsgebiet ein eigenes Konto, dann könnten die, die es können, monatlich was einzahlen. Und wir könnten mehr sammeln. Und ich wünsche mir eine Kirche in Lokwabe. Den Grundstein haben wir schon gelegt, Aber wir brauchen weiterhin eure Hilfe, so wie für Takatakwana, wo wir mit Hilfe des Geldes von Wolfenbüttel gerade das Dach der Kirche gedeckt haben. Nochmals herzlichen Dank für alle eure Hilfe.