„Fürchtet euch nicht“ ist kein billiger Trost
Beim Kirchentag legt Sally Azar, erste palästinensische Pfarrerin im Heiligen Land, die Osterbotschaft aus. Ihre Bibelarbeit zu Matthäus 28 ist eindringlich – und tief verbunden mit dem Alltag in einer von Krieg und Gewalt geprägten Region.
Es ist still im vollbesetzten Saal auf dem Messegelände, als Sally Azar spricht. Die junge Pfarrerin der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Jordanien und im Heiligen Land (ELCJHL) legt den Osterevangeliumstext Matthäus 28,1–10 aus: Die Frauen am Grab, die ersten Zeuginnen der Auferstehung – sie sehen, was geschieht, und handeln, während die Jünger zögern.
Azar verbindet diese biblische Szene mit Erfahrungen aus ihrer eigenen Realität. Sie erzählt von palästinensischen Müttern, die täglich mit ihren Kindern die Checkpoints passieren müssen, um zur Schule zu gelangen – und davon, wie sie selbst kürzlich sieben Stunden an einem Kontrollpunkt warten musste.
„Fürchtet euch nicht“, heißt es im Evangelium. Für Azar ist das kein „billiger Trost“, sondern ein Aufruf zum Handeln. Glaube bedeutet für sie nicht Rückzug, sondern die Kraft, sich den Herausforderungen des Lebens zu stellen – auch unter widrigen Umständen.
Sally Azar wurde 1996 in Jerusalem geboren. Sie ist die Tochter von Bischof Sani Ibrahim Azar und hat Theologie in Beirut, Göttingen und Hermannsburg studiert. Ihr Vikariat absolvierte sie in der Johanneskirche Berlin-Frohnau – begleitet von Pfarrer Dr. Ulrich Schöntube, dem designierten Direktor des Berliner Missionswerks. Diese Station spiegelt nicht nur Azars persönliche Nähe zu Berlin wider, sondern auch die gewachsene Verbindung zwischen dem Berliner Missionswerk, der EKBO und der ELCJHL.
Am 22. Januar 2023 wurde sie in der Erlöserkirche in der Jerusalemer Altstadt zur ersten palästinensischen Pfarrerin im Heiligen Land ordiniert – ein Meilenstein in der Geschichte ihrer Kirche. Sie ist Mitglied im Rat des Lutherischen Weltbundes und engagiert sich im Vorstand der kirchlichen Hilfsorganisation ACT Alliance. Ihre Ordination ist ein starkes Zeichen für Gleichberechtigung und ein mutiges Zeugnis lebendiger Partnerschaft in einer oft erschütternden Wirklichkeit.